Das BVerfG hat am 07.10.2015 insgesamt 11 Verfassungsbeschwerden gegen Vorschriften des Sächsischen Besoldungsgesetzes sowie gegen hierzu ergangene verwaltungsgerichtliche Urteile nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Beschwerdeführer des Verfahrens 2 BvR 413/15 machte im Dezember 2009 einen Anspruch auf Gewährung des Grundgehaltes aus der Endstufe seiner Besoldungsgruppe ab dem 01.01.2006 geltend, da die besoldungsrechtliche Ersteinstufung nach dem Lebensalter und der Stufenaufstieg nach dem Dienstalter eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters und damit einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz darstellten. Während des Revisionsverfahrens erließ der Landesgesetzgeber das Sächsische Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 18.12.2013 mit Rückwirkung zum 01.09.2006. Das BVerwG sprach dem Beschwerdeführer mit Urteil vom 30.10.2014 (2 C 3.13) eine Zahlung von 50 Euro nebst Zinsen zu und wies seine Klage im Übrigen ab. Bis zum Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18.08.2006 stehe dem Beschwerdeführer mangels Anspruchsgrundlage kein Zahlungsanspruch zu. Hingegen habe er für den Zeitraum vom 18. bis zum 31.08.2006 einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG i.H.v. 50 Euro. Ab dem 01.09.2006 sei das verfassungs- und unionsrechtskonforme Besoldungsrecht in der Fassung des Sächsischen Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 18.12.2013 maßgeblich.
Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.
Nach Auffassung des BVerfG wird das Grundgehalt der A-Besoldung nach dem neuen sächsischen Besoldungsrecht anhand der tatsächlich geleisteten Dienstzeiten und der erbrachten Leistung bemessen; jedoch bleibe eine bestehende Stufenzuordnung aufgrund des bislang maßgeblichen Besoldungsdienstalters erhalten. Die rückwirkende Neuregelung des Besoldungsrechts und die in der Überleitungsvorschrift vorgesehene Besitzstandswahrung seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch durch die Revisionsentscheidungen des BVerwG werden Grundrechte der Beschwerdeführer nicht verletzt.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen die folgenden Erwägungen zugrunde:
1. Die angegriffene rückwirkende Neuregelung der Beamtenbesoldung verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot oder den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
a) Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies daher einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte “ins Werk gesetzt” worden sind. Das Sächsische Besoldungsgesetz entfaltet jedoch keine belastende Wirkung. Es schafft ein diskriminierungsfreies Besoldungssystem. Die bisherige, am Besoldungsdienstalter oder Lebensalter ausgerichtete Stufenzuordnung ist durch eine altersunabhängige, an beruflichen Erfahrungszeiten orientierte Zuordnung ersetzt worden. Eine rechtsbeeinträchtigende Wirkung geht damit nicht einher. Auch bei isolierter Betrachtung der Überleitungsregelung sind keine nachteiligen Auswirkungen festzustellen.
b) Eine belastende Wirkung ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Beschwerdeführer rückwirkend ein Anspruch auf höhere Besoldung entzogen worden wäre. Wie die Folgen eines altersdiskriminierenden Besoldungssystems zu beseitigen sind, steht – soweit mehrere Lösungen denkbar und verfassungsrechtlich gleichermaßen zulässig sind – in der Wahl des Gesetzgebers. Der sächsische Landesgesetzgeber hat sich für den Erlass eines an der Berufserfahrung ausgerichteten Besoldungssystems entschieden. Hiergegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.
2. Die Stichtags- und Überleitungsregelung in § 80 Sächsisches Besoldungsgesetz verstößt weder gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums i.S.d. Art. 33 Abs. 5 GG. Dem Gesetzgeber ist es grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Bei der Regelung des Übergangs von einer älteren zu einer neueren Regelung steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu. Die verfassungsrechtliche Prüfung muss sich daher darauf beschränken, zu prüfen, ob der Gesetzgeber die Stichtagsregelung in sachgerechter Weise genutzt hat, insbesondere ob die Einführung des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts sich am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar war.
Die von dem Beschwerdeführer beanstandete Stichtags- und Überleitungsregelung bewegt sich in diesem verfassungsrechtlichen Rahmen. Der Landesgesetzgeber hielt die Überleitungsregelung im Interesse der Verwaltungsvereinfachung für erforderlich. Es wäre zum einen mit Feststellungsaufwand und Bewertungs- sowie Beweisschwierigkeiten verbunden, die unter dem alten Recht entstandenen Rechtsverhältnisse vollständig dem neuen Recht zu unterstellen. Zum anderen verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit klare schematische Entscheidungen über die zeitliche Abgrenzung zwischen altem und neuem Recht. Die Entscheidung des Landesgesetzgebers, dass eine Stichtags- und Überleitungsregelung dem Ziel der Gesetzesnovelle entspricht, war daher sachgerecht. Den Stichtag hat er an das Inkrafttreten der Föderalismusreform, mithin an den Zeitpunkt des Übergangs der Gesetzgebungskompetenz zum 01.09.2006, gekoppelt. Dies ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
3. Die Entscheidung des BVerwG verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG), weil sie einen Entschädigungsanspruch für den Zeitraum vom 01.01. bis 17.08.2006 verneint und lediglich 50 Euro für den Zeitraum vom 18.08. bis 31.08.2006 zugesprochen hat. Das BVerwG ist vertretbar davon ausgegangen, dass bis zum Inkrafttreten des AGG am 18.08.2006 kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht gegeben ist und damit die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs nicht erfüllt sind. Die Festsetzung der Entschädigungshöhe ist ebenfalls nicht willkürlich. Das BVerwG zeigt die Maßstäbe seiner Entscheidung auf und verweist auf die ständige Rechtsprechung des BAG zur Bemessung des Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG. Zur Begründung der Höhe bezieht sich das BVerwG zudem auf vergleichbare gesetzliche Entschädigungsregelungen im Gerichtsverfassungsgesetz und im Bundesverfassungsgerichtsgesetz.
4. Ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch Nichtvorlage an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist ebenfalls nicht gegeben. Nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht stellt zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Das BVerfG überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist. Dies ist hier nicht der Fall. Aus der Rechtsprechung des EuGH zum Berliner Besoldungsüberleitungsgesetz (EuGH, Urt. v. 19.06.2014 – C-501/12 “Specht”) hat das BVerwG gefolgert, dass auch die Überleitungsvorschrift des Sächsischen Besoldungsgesetzes zur Wahrung des Besitzstands und zur Vermeidung eines übermäßigen Verwaltungsaufwands für die Regulierung der in der Vergangenheit liegenden Zeiten gerechtfertigt sei. Zudem verweist das BVerwG auf die Rechtsprechung des EuGH, nach der die rückwirkende Inkraftsetzung einer unionsrechtskonformen Regelung eine zulässige Form der Wiedergutmachung darstellt.
Die sieben weiteren begründeten Nichtannahmebeschlüsse betreffen Parallelverfahren (2 BvR 459/15 bis 465/15). Zu drei weiteren Verfassungsbeschwerden, in denen auch eine Verletzung von Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG gerügt wurde, sind ein unbegründeter Nichtannahmebeschluss (2 BvR 3067/14) und zwei begründete Nichtannahmebeschlüsse (2 BvR 568/15 und 2 BvR 1028/15) ergangen.
BVerfG (K), Beschl. v. 07.10.2015 – 2 BvR 413/15 u.a.
Pressemitteilung des BVerfG Nr. 85/2015 vom 17.11.2015