
Pensionssubventionen für Deutsche Post
Das EuG hat den Beschluss der Europäischen Kommission, mit dem Deutschland aufgegeben wurde, von Deutsche Post einen Teil der Subventionen für die Ruhegehälter der ehemaligen Postbeamten zurückzufordern, für nichtig erklärt.
Die Europäische Kommission habe das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe festgestellt, ohne nachzuweisen, dass Deutsche Post durch diese staatliche Kofinanzierung ein tatsächlicher wirtschaftlicher Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern verschafft wurde, so das EuG.
Die Deutsche Post ist eine Aktiengesellschaft, die 1995 aus der Privatisierung des historischen deutschen Postdienstleisters, Postdienst (vormals Deutsche Bundespost), hervorging. Die Deutsche Post musste die Postbeamten von Postdienst übernehmen und für sie von 1995 bis 1999 jährliche Beiträge i.H.v. 2,045 Mrd. Euro an einen Pensionsfonds entrichten. Ab dem Jahr 2000 wurde diese pauschale Jahresrate durch einen Betrag i.H.v. 33% der gesamten Bezüge der bei Deutsche Post beschäftigten Beamten ersetzt. Die dadurch nicht gedeckten Kosten der Ruhegehälter wurden vom Bund getragen, der dafür in der Zeit von 1995 bis 2010 insgesamt über 37 Mrd. Euro aufwandte.
Die Europäische Kommission stellte mit Beschluss vom 25.01.2012 (Beschluss 2012/636/EU über die Maßnahme C 36/07 (ex NN 25/07) Deutschlands zugunsten der Deutschen Post AG – ABl. L 289, 1) fest, dass diese staatliche Finanzierung der Ruhegehälter eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstelle, die, soweit ihre Höhe unangemessen sei, nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Sie forderte Deutschland deshalb auf, die entsprechenden Beträge, und zwar hinsichtlich der seit dem 01.01.2003 gewährten Subventionen, von Deutsche Post zurückzufordern. Sie ging von einem Gesamtbetrag zwischen 500 Mio. und 1 Mrd. Euro aus. Die Kommission stellte in dem Beschluss ferner fest, dass bestimmte staatliche Ausgleichszahlungen zugunsten der Deutschen Post eine mit dem Binnenmarkt vereinbare staatliche Beihilfe darstellten und dass die staatlichen Garantien, nach denen Deutschland die Gewährleistung für die Erfüllung der von der Deutschen Bundespost vor ihrer Umwandlung in drei Aktiengesellschaften eingegangenen Verbindlichkeiten trage, eine bestehende Beihilfe seien. Diese weiteren Aspekte sind nicht Gegenstand der vorliegenden Klage.
Zur Vorgeschichte: Im Anschluss an ein 1999 eröffnetes förmliches Prüfverfahren stellte die Kommission mit einer Entscheidung vom 19.06.2002 (2002/753/EG) fest, dass Deutschland der Deutschen Post eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Unterstützung i.H.v. 572 Mio. Euro gewährt habe, mit der die Deutsche Post die durch eine Rabattpolitik bei den dem Wettbewerb offen stehenden Haus-zu-Haus-Paketdiensten entstandenen Verluste habe ausgleichen können. Die Deutsche Post erhob Klage beim EuG, welches die Entscheidung mit Urteil vom 01.07.2008 (T-266/02 “Deutsche Post/Kommission”) für nichtig erklärte, weil die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass der Deutschen Post ein Vorteil gewährt worden sei. Sie habe insbesondere bei der Klärung der Frage, ob durch die geflossenen staatlichen Mittel eine Über- oder Unterkompensierung zugunsten bzw. zulasten der Deutschen Post erfolgt sei, nicht alle staatlichen Mittel, die der Deutschen Post zugeflossen seien, und nicht alle Kosten, die die Deutsche Post im Zusammenhang mit der Erbringung des Universaldiensts habe tragen müssen, im Einzelnen untersucht. Der EuGH hatte mit Urteil vom 02.09.2010 (C-399/08 P “Kommission/Deutsche Post”) das von der Kommission gegen das EuG-Urteil von 2008 eingelegte Rechtsmittel zurückgewiesen. Am 12.09.2007 beschloss die Kommission, den Eröffnungsbeschluss von 1999 zu ergänzen, um sich eingehend mit den Wettbewerbsverzerrungen zu befassen, die durch die Deutsche Post gewährten staatlichen Mittel hervorgerufen worden seien. Mit Urteil vom 18.09.2015 (T-421/07 RENV “Deutsche Post/Kommission”) erklärte das EuG den Beschluss von 2007 nach Zurückverweisung der Rechtssache im Anschluss an ein beim EuGH eingelegtes Rechtsmittel für nichtig. Die Kommission habe ein vollständig abgeschlossenes förmliches Prüfverfahren wiedereröffnet, um eine neue Entscheidung zu erlassen, ohne die Entscheidung über den Abschluss zu widerrufen oder zurückzunehmen. Schließlich beschloss die Kommission am 10.05.2011, das 1999 eingeleitete Verfahren erneut “auszuweiten”, um die staatliche Finanzierung der Ruhegehälter zugunsten Deutsche Post seit 1995 eingehender zu prüfen. Die Deutsche Post hat gegen den Beschluss von 2011 eine Klage erhoben, die noch beim EuG anhängig ist (T-388/11 “Deutsche Post/Kommission”).
Deutschland hat gegen den Beschluss der Kommission beim EuG Klage erhoben (lediglich hinsichtlich des die Subventionen für die Ruhegehälter betreffenden Teils) und u.a. geltend gemacht, die Kommission habe die staatliche Kofinanzierung der Ruhegehälter der von der Deutschen Post übernommenen Beamten zu Unrecht als staatliche Beihilfe eingestuft. Sie hätte nämlich zunächst nachweisen müssen, dass die Deutsche Post dadurch gegenüber ihren Wettbewerbern ein tatsächlicher wirtschaftlicher Vorteil entstanden sei. (Auch die Deutsche Post hat eine Klage gegen diesen Beschluss erhoben, die noch beim Gericht anhängig ist (T-152/12 “Deutsche Post/Kommission”).
Das EuG hat der Klage stattgegeben und den Beschluss der Kommission, soweit er die Subventionen für die Ruhegehälter betrifft, für nichtig erklärt.
Nach Auffassung des EuG setzt die Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe voraus, dass dem Begünstigten durch die Maßnahme gegenüber seinen Wettbewerbern ein selektiver wirtschaftlicher Vorteil gewährt wird. Die Kommission habe dies bei der Prüfung der Frage, ob überhaupt eine staatliche Beihilfe vorliege, nachzuweisen und nicht – wie hier geschehen – erst bei der anschließenden Prüfung der Frage, ob die Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.
Dass Deutschland die Kosten der Ruhegehälter der ehemaligen Postbeamten teilweise übernommen habe, genüge nicht bereits für den Nachweis, dass Deutsche Post gegenüber ihren privaten Wettbewerbern begünstigt wurde. Die Belastungen durch die Ruhegehälter der Beamten, die über einen privilegierten und kostenaufwendigen Status verfügten, gehörten nämlich nicht zu den Kosten, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen habe. So könne die Deutsche Post nach der staatlichen Kofinanzierung der Ruhegehälter, auch wenn sie weniger benachteiligt sei als zuvor, gegenüber ihren Wettbewerbern durchaus immer noch benachteiligt oder diesen gleichgestellt seien, ohne einen Vorteil erlangt zu haben. Allenfalls hätten Beträge, die das zur Angleichung der Kosten der Ruhegehälter, die Deutsche Post vor 1995 auferlegt wurden, an die ihrer Wettbewerber erforderliche Maß überstiegen, ihr einen solchen Vorteil verschaffen und somit eine staatliche Beihilfe darstellen können.
Da die Kommission im Stadium ihrer Prüfung der Frage, ob eine staatliche Beihilfe vorliege, nicht nachgewiesen habe, dass die Deutsche Post gegenüber ihren Wettbewerbern einen solchen Vorteil erlangt hatte, habe sie einen Rechtsfehler begangen, der zur Nichtigerklärung des die Subventionen für die streitigen Ruhegehälter betreffenden Teils des Beschlusses führe.
EuG, Urt. v. 14.07.2016 – T-143/1
Pressemitteilung des EuG Nr. 76/16 v. 14.07.2016