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Missbrauchsverdacht an Uniklinik: Erweiterung des Auftrags des Untersuchungsausschusses nicht verfassungswidrig

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Missbrauchsverdacht an Uniklinik: Erweiterung des Auftrags des Untersuchungsausschusses nicht verfassungswidrig

Der VerfGH Saarbrücken hat am 21.01.2020 die Verfassungsbeschwerde des Leiters der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums des Saarlandes gegen die Erweiterung des Auftrags des Untersuchungsausschusses verworfen, den Landtag jedoch für verpflichtet erachtet, das Grundrecht auf Schutz persönlicher Daten sicherzustellen.

Der Gegenstand des Untersuchungsausschusses, der zunächst auf den Umgang des Klinikleiters mit möglichen Missbrauchsfällen in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie beschränkt war, wurde nach dem Informationen über den Verdacht möglicher anderer Missbrauchsfälle in der HNO-Klinik des Universitätsklinikums des Saarlandes auf die Untersuchung dieser Fälle erweitert. Die Bezeichnung des Untersuchungsausschusses wurde in “Umgang mit Hinweisen auf Verdachtsfälle von Kindesmissbrauch am Universitätsklinikum des Saarlandes seit Oktober 2003” geändert. Neben dem Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie wurde auch der Direktor der HNO-Klinik zum Betroffenen (i.S.d. § 27 Abs. 1 des Gesetzes über den Landtag des Saarlandes) erklärt.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie u.a. eine Verletzung seines Grundrechts auf Datenschutz und seines Persönlichkeitsrechts aber auch der Unschuldsvermutung, da der Direktor der HNO-Klinik als neuer Betroffener Kenntnis vom Inhalt der Akten des Untersuchungsausschusses und damit weitreichenden Einblick in seine beruflichen und persönlichen Verhältnisse erhalte. Außerdem werde durch die Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, ihn treffe die Verantwortung für alle möglichen Missbrauchsfälle im Universitätsklinikum des Saarlandes seit 2003.

Der VerfGH Saarbrücken hat die Verfassungsbeschwerde als unbegründet verworfen, den Landtag jedoch für verpflichtet erachtet, das Grundrecht auf Schutz persönlicher Daten sicherzustellen.

Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist es verfassungsrechtlich völlig unbedenklich, wenn nicht sogar verpflichtend, Strukturen und Organisation des Universitätsklinikums auf einen sachlich und rechtlichen korrekten Umgang mit Hinweisen auf einen Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu überprüfen. Denn nach Art. 25 der Verfassung des Saarlandes “achtet und sichert das Land die Kinderrechte und trägt für altersgerechte positive Lebensbedingungen Sorge.” Dazu zähle folglich die verfassungsrechtliche Schutzpflicht aller staatlichen Gewalten Vorkehrungen zu treffen, die Kinder vor der Einwirkung von – gerade auch sexueller – Gewalt bewahren.

Allerdings treffe den Landtag und den Untersuchungsausschuss auch die verfassungsrechtliche Pflicht, die Grundrechte derer zu achten, die von einer Untersuchung betroffen sein könnten. Dazu zählten neben möglichen Verantwortlichen im Übrigen auch betroffene Kinder, deren private oder intime Daten nicht offenbart werden dürften, da insoweit kein Zusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag erkennbar sei. Den Landtag wie den Untersuchungsausschuss treffe die Pflicht in allen ihren Äußerungen – auch der Mitglieder dieser Verfassungsorgane – die Unschuldsvermutung zu beachten und einer Vorverurteilung in der Öffentlichkeit entgegenzuwirken.

Der Verfassungsgerichtshof hat weiter entschieden, dass das Grundrecht auf Datenschutz und das Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers durch die Erweiterung des Untersuchungsauftrags im Ergebnis nicht verletzt sind. Zwar werde durch die Erweiterung des Untersuchungsauftrags die Gefahr begründet, dass höchstpersönliche Informationen über den Beschwerdeführer zusätzlichen Personen zugänglich gemacht werden. Auch stehe dem Leiter der HNO-Klinik als neuem Betroffenen ein Recht auf Akteneinsicht in die dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Dokumente zu. Dieses Akteneinsichtsrecht umfasse jedoch nicht solche Aktenteile, die ausschließlich den Beschwerdeführer betreffen. Daher sei der Untersuchungsausschuss verpflichtet, durch geeignete Schutzvorkehrungen zu verhindern, dass personenbezogene Informationen enthaltende Dokumente, an denen kein überwiegendes Allgemeininteresse bestehe, einem weiteren Personenkreis zur Kenntnis gelangen. Es sei klarzustellen, dass dieser Schutz des Beschwerdeführers auch im Verfahren des Untersuchungsausschusses zu wahren sei, etwa wenn es um die Anwesenheit Dritter bei der Verhandlung und die Unterrichtung des neuen Betroffenen über das bisherige Ergebnis der Verhandlungen gehe.

Vor diesem Hintergrund hat der VerfGH Saarbrücken dem Landtag aufgegeben, die entsprechenden Vorschriften des Landtagsgesetzes wie folgt zu interpretieren:

Bestimmt ein Untersuchungsausschuss Personen zu Betroffenen, auf die sich die gesamte Untersuchung nicht ausschließlich oder ganz überwiegend bezieht, so darf er einen Betroffenen zu Abschnitten der Untersuchung, die nicht in seinen Verantwortungsbereich fallen können, weder durch Gewährung von Akteneinsicht, noch durch die Information über die Ergebnisse einer Verhandlung oder Beweisaufnahme noch durch Antrags- oder Teilnahmerechte hinzuziehen. Insoweit hat der Landtag des Saarlandes Vorkehrungen sowohl auf normativer Ebene – wie sie das Saarländische Datenschutzgesetz vorsieht – als auch durch Maßnahmen der Sicherung der Einhaltung von Datenschutzvorschriften zur Gewährleistung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu treffen.

Die Entscheidung liegt noch nicht schriftlich vor.

VerfGH Saarbrücken, Urt. v. 21.01.2020 – Lv 15/19

Pressemitteilung des VerfGH Saarbrücken v. 27.03.2020

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