
Keine Wiedereinrichtung einer geschlossenen nuklearmedizinischen Bettenstation beim Universitätsklinikum Düsseldorf
Das BVerwG hat am 19.03.2014 entschieden, dass das Universitätsklinikum Düsseldorf nach Schließung einer Bettenstation der nuklearmedizinischen Klinik im Einvernehmen mit dem medizinischen Fachbereich nicht zur Wiedererrichtung einer solchen nuklearmedizinischen Bettenstation verpflichtet ist.
Der Kläger ist Universitätsprofessor für Nuklearmedizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und zugleich Leiter der nuklearmedizinischen Klinik des beklagten Universitätsklinikums Düsseldorf, das gegenüber der Universität und deren Fachbereich Medizin organisatorisch verselbstständigt ist. Bis Anfang des Jahres 2007 verfügte die nuklearmedizinische Klinik über eine Bettenstation auf dem Gelände des Universitätsklinikums. Im September 2006 beschloss der Vorstand des Universitätsklinikums, diese Bettenstation zu schließen und berief sich hierfür unter anderem auf wirtschaftliche Gründe. Er setzte den Beschluss in der Folgezeit um. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts erteilten das Dekanat im Jahre 2008 und der Fachbereichsrat des beigeladenen medizinischen Fachbereichs im Jahre 2010 nachträglich ihr Einvernehmen mit der Schließung der Bettenstation. Seit Sommer 2011 wird in deren Räumen eine palliativmedizinische Einrichtung betrieben.
Der Kläger sieht sich durch die Schließung der Bettenstation in seiner Wissenschaftsfreiheit verletzt. Nachdem das OVG Münster in einem gegen das beklagte Universitätsklinikum betriebenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die vom Kläger beantragte einstweilige Anordnung zunächst wiederholt abgelehnt und der Kläger hiergegen zweimal erfolgreich das BVerfG angerufen hatte, hat das OVG Münster dem beklagten Universitätsklinikum im Juni 2010 im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die Wiedereröffnung und den Weiterbetrieb einer dem früheren Zustand gleichwertigen nuklearmedizinischen Bettenstation auf dem Gelände des Klinikums zu ermöglichen.
Im Klageverfahren hat das VG Düsseldorf die unter anderem auf Wiedereröffnung der Bettenstation gerichtete Klage abgewiesen. Das OVG Münster hat im Berufungsverfahren das beklagte Universitätsklinikum – wie schon zuletzt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – gestützt auf einen Folgenbeseitigungsanspruch zur Wiedereröffnung der Bettenstation verurteilt: Der Kläger sei in seinem Recht auf verfahrensförmige Gewährleistung individueller Forschungsfreiheit verletzt. Das Oberverwaltungsgericht hat sich hierfür auf die Regelung des nordrhein-westfälischen Hochschulrechts bezogen, nach der Entscheidungen der Universitätskliniken im Einvernehmen mit den medizinischen Fachbereichen zu treffen sind, soweit der Bereich von Forschung und Lehre betroffen ist. Zwar hätten sowohl das Dekanat als auch der Fachbereichsrat ihr Einvernehmen mit der Schließung der Bettenstation in einem tatsächlichen Sinne erteilt, jedoch nicht in einer Weise, welche der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit gerecht werde. Das beklagte Universitätsklinikum sei deshalb gehindert gewesen, den Schließungsbeschluss zu fassen bzw. an diesem festzuhalten.
Das BVerwG hat der Revision des beklagten Universitätsklinikums stattgegeben und damit die klageabweisende erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt.
Das BVerwG hat entschieden, dass dann, wenn der Vorstand eines organisatorisch verselbstständigten Universitätsklinikums im tatsächlich erteilten Einvernehmen mit dem medizinischen Fachbereich der Universität die Schließung einer Bettenstation beschlossen hat, der davon betroffene Hochschullehrer nicht in einem Verfahren gegen das Universitätsklinikum die Wiedereinrichtung der Bettenstation mit der Begründung verlangen kann, der medizinische Fachbereich habe sein Einvernehmen mit der Schließung rechtswidrig unter Verletzung der ihm – dem Hochschullehrer – in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit erteilt.
Die Schließung der Bettenstation ist nach Auffassung des BVerwG nicht rechtswidrig gewesen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG müsse der (Landes-) Gesetzgeber bei der Regelung der Organisation der Universitätskliniken zwischen der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG einerseits und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG geforderten bestmöglichen Krankenversorgung andererseits einen angemessenen Ausgleich finden. Diesem Ausgleich diene es, dass nach dem nordrhein-westfälischen Landesrecht die Entscheidungskompetenzen der Universitätskliniken vorrangig auf die Krankenversorgung bezogen sind, die Aufgabe medizinischer Forschung und Lehre jedoch in erster Linie bei den medizinischen Fachbereichen der Universitäten verbleibt. Deren primäre Zuständigkeit für die Wissenschaftsfreiheit werde im Hinblick auf den Klinikumsbetrieb organisatorisch dadurch gesichert, dass Entscheidungen der Universitätskliniken des Einvernehmens der Fachbereiche bedürfen, soweit sie Forschung und Lehre betreffen. Dieser Ausgleich werde verfehlt, wenn die Klinikvorstände, wie von dem Oberverwaltungsgericht gefordert, mit der Aufgabe belastet werden, die Erteilungen des Einvernehmens durch die medizinischen Fachbereiche daraufhin zu kontrollieren, ob sie unter Wahrung der Erfordernisse der Wissenschaftsfreiheit zustande gekommen sind. Die damit verbundenen Fragen könne ein Hochschullehrer, der sich in seiner Wissenschaftsfreiheit betroffen sieht, gerichtlich nur im Verhältnis zu seinem hierfür in erster Linie verantwortlichen Fachbereich klären lassen. Er werde hierdurch in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht beeinträchtigt. Denn solange der Fachbereich sein Einvernehmen zu einer wissenschaftsrelevanten Entscheidung des Universitätsklinikums auch im tatsächlichen Sinne nicht erteilt hat, könne der Hochschullehrer dies dem Klinikum entgegenhalten. Hat der Fachbereich sein Einvernehmen erteilt, müsse der Hochschullehrer den Fachbereich im Wege der Leistungsklage auf die Rücknahme des Einvernehmens in Anspruch nehmen, wenn er das Einvernehmen wegen einer Verletzung seiner Wissenschaftsfreiheit für rechtswidrig hält.
BVerwG, Urt. v. 19.03.2014 – 6 C 8/13
Pressemitteilung Nr. 21/2014 des BVerwG vom 19.03.2014