
Keine gesonderte Erstattung des inklusionsbedingten Mehraufwands von Privatschulen
Der VerfGH München hat am 19.07.2016 entschieden, dass es mit der Bayerischen Verfassung vereinbar ist, dass neben den pauschalierten Zuschüssen des Staates zur Finanzierung staatlich anerkannter Privatschulen inklusionsbedingter Mehraufwand nicht gesondert erstattet wird.
Art. 38 und 40 BaySchFG regeln, in welcher Höhe die Träger staatlich anerkannter privater Realschulen, Gymnasien und Schulen des Zweiten Bildungswegs Zuschüsse für den notwendigen Personalaufwand und Schulaufwand sowie den Versorgungsaufwand erhalten. Die Zuschüsse sind pauschaliert, wobei der Lehrpersonalaufwand nach Maßgabe bestimmter Parameter des Gehalts einer staatlichen Lehrkraft als Bemessungsgrundlage dient. Die zuschussfähigen Lehrerwochenstunden einer Schule werden unter Zugrundelegung der Tabellen in Art. 17 Abs. 2 BaySchFG ermittelt. Diese gehen von einem Lehrpersonalaufwand aus, der sich an einer Schüler-Lehrer-Relation und an der Schulgröße orientiert. Ob einzelne Schüler wegen inklusiver Beschulung einen Mehraufwand erfordern, findet keine Berücksichtigung.
Die Antragstellerin ist Schulträgerin eines staatlich anerkannten privaten Gymnasiums, deren Anträge auf ergänzende Bezuschussung für den aus der inklusiven Beschulung resultierenden sächlichen und personellen Mehraufwand wiederholt abgelehnt wurden. Mit der Popularklage rügt sie, der Landesgesetzgeber komme seinem Sicherstellungsauftrag aus Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention nicht nach, da er im Rahmen der Schulfinanzierung keine Maßnahmen dafür vorgesehen habe, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu integrativem, hochwertigem und unentgeltlichem Unterricht erhielten. Die fehlende Erstattung der Kosten für inklusiven Unterricht verstoße gegen die Privatschulfreiheit (Art. 134 BV) und benachteilige Menschen mit Behinderungen (Art. 118a BV). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 118 Abs. 1 BV) liege darin, dass Privatschulen, die inklusiven Unterricht durchführten, anders behandelt würden als öffentliche Schulen.
Der VerfGH München hat die Popularklage abgewiesen.
Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs ist es mit der Bayerischen Verfassung vereinbar, dass neben den pauschalierten Zuschüssen des Staates zur Finanzierung staatlich anerkannter Realschulen, Gymnasien und Schulen des Zweiten Bildungswegs (Art. 38 und 40 BaySchFG) inklusionsbedingter Mehraufwand nicht gesondert erstattet wird.
1. Zwar schulde der Staat einen Ausgleich für die von der Verfassung im Hinblick auf den Betrieb von Privatschulen geforderte Gleichwertigkeit mit öffentlichen Schulen, zu der das Angebot der inklusiven Beschulung gehört. Aus dem Wesen der Privatschulfreiheit (Art. 134 Abs. 1 und 2 BV) folge aber auch, dass die Privatschulträger sich selbst finanziell zu engagieren und die wirtschaftlichen Grundlagen für den Schulbetrieb zu legen hätten. Zu einer vollen Kostenübernahme sei der Staat nicht verpflichtet. Über das verfassungsrechtliche Gebot hinaus, das Ersatzschulwesen als Institution zu erhalten, sei der Staat aufgrund des Gleichheitssatzes (Art. 118 Abs. 1 BV) nicht gehalten, private Schulen in der Finanzierung öffentlichen Schulen in vollem Umfang gleichzustellen. In welcher Weise er seiner Schutz- und Förderpflicht nachkommen wolle, liege in seiner Gestaltungsfreiheit. Es begegne daher keinen Bedenken, wenn sich der Gesetzgeber zur Vereinfachung und besseren Berechenbarkeit der Förderung für eine pauschalierte Ausgestaltung entscheide und daneben für eine Sonderbedarfsberechnung, die den angestrebten Zielen widerspräche, keinen Raum gebe. Zudem stehe in Form der Mobilen Sonderpädagogischen Dienste ergänzend ein Instrument zur teilweisen Abdeckung eines etwaigen Mehrbedarfs zur Verfügung. Anhaltspunkte dafür, dass das Privatschulwesen als Institution infolge der alle Schulen betreffenden Erweiterung des Aufgabenspektrums um den inklusiven Unterricht (Art. 2 Abs. 2 BayEUG) in seiner Existenz gefährdet wäre, seien nicht ersichtlich.
2. Bei der Ausgestaltung des Regelungskonzepts zur Unterrichtung behinderter Kinder und Jugendlicher verfüge der Gesetzgeber über einen Einschätzungsspielraum; zudem bestehe der Vorbehalt des tatsächlich Machbaren und des finanziell Vertretbaren. Daher könne der Gesetzgeber von der Einführung bzw. Unterstützung solcher Integrationsformen absehen, deren Verwirklichung ihm aus organisatorischen, personellen und finanziellen Gründen nicht vertretbar erscheine. Gemäß Art. 118a BV sei entscheidend, dass die verbleibenden Möglichkeiten einer integrativen Erziehung und Unterrichtung den Belangen behinderter Kinder und Jugendlicher ausreichend Rechnung trügen. Angesichts der im Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen getroffenen Regelungen ergäben sich insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Ebenso wenig könne ein Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention festgestellt werden.
VerfGH München, Urt. v. 19.07.2016 – 1-VII-16
Pressemitteilung des VerfGH München v. 25.07.2016