Der EuGH hat am 18.10.2017 entschieden, dass in einer Regelung, die als Kriterium für die Zulassung zu einer Polizeischule unabhängig vom Geschlecht eine Mindestkörpergröße vorsieht, eine unerlaubte Diskriminierung von Frauen liegen kann.
Eine solche Maßnahme sei unter Umständen nicht notwendig, um das ordnungsgemäße Funktionieren der Polizei zu gewährleisten, so der EuGH.
Mit Entscheidung des Leiters der griechischen Polizei wurde ein Auswahlverfahren für die Zulassung zur griechischen Polizeischule für das akademische Jahr 2007/2008 bekannt gegeben. In dieser Bekanntmachung wurde eine Bestimmung des griechischen Rechts übernommen, wonach alle Bewerber unabhängig von ihrem Geschlecht mindestens 1,70 m groß sein müssen. Frau Maria-Eleni K. wurde die Teilnahme an dem Auswahlverfahren für den Zugang zur Polizeischule verweigert, weil sie die vorgeschriebene Größe nicht erreichte. Sie war der Ansicht, dass sie aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert worden sei, und erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Dioikitiko Efeteio Athinon (Verwaltungsberufungsgericht Athen). Das Dioikitiko Efeteio Athinon hob die Entscheidung auf und stellte fest, dass das griechische Gesetz den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit zwischen Männern und Frauen verletze.
Der Innenminister und der Minister für nationales Erziehungswesen und Religionsangelegenheiten legten gegen diese Entscheidung Berufung beim Symvoulio tis Epikrateias (Staatsrat, Griechenland) ein. Dieser fragt den EuGH, ob das Unionsrecht (RL 76/207/EWG – ABl. 1976, L 39, 40 in der durch die RL 2002/73/EG – ABl. 2003, L 269, 15 geänderten Fassung – im Folgenden: RL 76/207; vgl. außerdem die RL 2006/54/EG – ABl. 2006, L 204, 23 und die RL 2000/78/EG – ABl. 2000, L 303, 16) einer nationalen Regelung entgegensteht, die für alle Bewerber, männlichen oder weiblichen Geschlechts, für das Auswahlverfahren für die Zulassung zur Polizeischule eine einheitliche Mindestkörpergröße festsetzt.
Der EuGH hat entschieden, dass die Festsetzung einer einheitlichen Mindestkörpergröße für alle Bewerber, männlichen oder weiblichen Geschlechts, zu einer mittelbaren Diskriminierung führt, da sie eine sehr viel höhere Zahl von Personen weiblichen Geschlechts als männlichen Geschlechts benachteiligt.
Nach Auffassung des EuGh stellt eine solche Regelung jedoch keine verbotene mittelbare Diskriminierung dar, wenn zwei Voraussetzungen, deren Vorliegen das nationale Gericht zu überprüfen hat, erfüllt sind: 1) Die Regelung müsse durch ein rechtmäßiges Ziel, wie das Bemühen, die Einsatzbereitschaft und das ordnungsgemäße Funktionieren der Polizei zu gewährleisten (EuGH, Urt. v. 13.11.2014 – C-416/13 “Vital Pérez” und EuGH, Urt. v. 15.11.2016 – C-258/15″Salaberria Sorondo”) sachlich gerechtfertigt sein und 2) die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssten angemessen und erforderlich sein.
Zwar könnten bestimmte Tätigkeiten der Polizei die Anwendung körperlicher Gewalt erfordern und besondere körperliche Fähigkeiten erforderlich machen, dennoch erforderten andere Polizeiaufgaben wie der Beistand für den Bürger und die Verkehrsregelung offenkundig keinen hohen körperlichen Einsatz.
Auch wenn im Übrigen angenommen werden sollte, dass alle von der griechischen Polizei ausgeübten Aufgaben eine besondere körperliche Eignung erfordern, sei eine solche Eignung nicht zwangsläufig mit dem Besitz einer Mindestkörpergröße verbunden. Das Ziel, die wirksame Erfüllung der Aufgabe der griechischen Polizei zu gewährleisten, könnte jedenfalls mit Maßnahmen erreicht werden, die für Frauen weniger nachteilig sind, wie eine Vorauswahl der Bewerber zur Überprüfung ihrer körperlichen Fähigkeiten.
EuGH, Urt. v. 18.10.2017 – C-409/16
Pressemitteilung des EuGH Nr. 106/2017 v. 18.10.2017